– EGMR zur Drogen-Substitution im Strafvollzug –
Deutschland hat gegen die Menschenrechte eines heroinabhängigen Häftlings verstoßen, indem ihm in einem Gefängnis in Bayern über Jahre ein Drogenersatzstoff wie Methadon verwehrt wurde. Konkret hat die bayerische Justizverwaltung gegen Menschenrechte verstoßen.
Die Überwindung der Drogensucht ist auch im Strafvollzug ein wichtiges Vollzugsziel.
Aber wie?
Im bayerischen Vollzug – sei es in Untersuchungs- oder Strafhaft – war bisher die ärztlich überwachte Substitution (mit Methadon) die seltene Ausnahme. Und die den Vollzug kontrollierende Strafgerichtsbarkeit bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht haben dies bislang widerspruchslos hingenommen. Es sieht so aus, als ob die Nichtverabreichung von Methadon an schwerstabhängige Gefangene – menschenrechtskonform – der Vergangenheit angehört.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 01.09.2016 im Fall Wenner v.Germany entschieden, dass die Verweigerung der Substitution im Fall Wenner einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK (Verbot der Folter oder anderer unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe) darstellt.
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Diese Entscheidung stellt eine schallende Ohrfeige für den bayerischen Vollzug dar. Eine Verletzung von Art. 3 EMRK wurde gegenüber Deutschland nur sehr selten festgestellt. Das Gericht hat sich nicht auf die Frage eingelassen, ob Substitution zwingend erforderlich ist. Es hat sich, juristisch vorsichtig, darauf beschränkt, zu sagen, dass man diese Frage nicht genügend aufgeklärt hat. Schon darin liegt eine unmenschliche Behandlung.
In der JVA Würzburg haben sich Gefangene mit einem Hungerstreik für bessere Zustände im Gefängnis eingesetzt. Die Würzburger Häftlinge forderten unter anderem ein Methadonprogramm und die Lockerung der Arrestbedingungen für Gefangene, die sich im Drogenentzug befinden. Die JVA Würzburg hält im übrigen bei den Bunkerstrafen in Bayern den Rekord. Nach elf Tagen wurde der Hungerstreik abgebrochen.
Sollte das Urteil bestandskräftig werden, hat es große Bedeutung für die Behandlung von Gefängnisinsassen. Die Verweigerung der Behandlung mit Ersatzdrogen, wie in Bayern und anderen Bundwsländern üblich, dürfte ohne Einzelfallprüfung durch die JVA der erfolgreichen gerichtlichen Anfechtung unterliegen. Mit der bayerischen Bierruhe (!) hat es dann wohl ein Ende.